Hokkaido, die zweitgrößte Insel Japans. Während sie einst ein 4000km langes Schienennetz besaß, sind mittlerweile nur noch circa 2000km in Betrieb. Durch den Wegzug vieler Menschen aus den Dörfern in die Großstädte schreiben die meisten der noch im Betrieb befindlichen Strecken rote Zahlen. Zwar konnte ich aus zeitlichen Gründen genau diese Gegende nicht besuchen, dafür aber die beiden wichtigen Zentren Sapporo und Hakodate. Ein Bericht vom 28. September bis 30. September 2023.
Per Shinkansen durch den längsten Meerestunnel der Welt, gelangte ich zur Station Shin-Hakodate-Hokuto (Google-Maps). Hier war für mich als Reisender Richtung Sapporo ein Umstieg nötig. Durch den strömenden Regen kommt eine Garnitur der Baureihe 261 angezischt. Ab hier beginnt die Tucker-Tour: Während ich in den ersten vier Stunden im Shinkansen von Utsunomiya nach Shin-Hakodate-Hokuto 753km zurückgelegt hatte, beginnt ab hier nach Sapporo die vierstündige Reise für 300km, also weniger als die Hälfte. Wohlgemerkt im Diesel-Triebzug, der nicht schneller als 120km/h fahren kann.
Ankunft in Sapporo. Es war schon dunkel, als ich mir die Straßenbahn anschauen wollte. Im dunklen scheichte sich jedoch der betriebsälteste Wagen an die Kreuzung ran. Wagen 241 wurde 1960 aus Einzelteilen des 1936 gebauten Wagen 151 zusammengebaut und ist seitdem durch die Metropole Hokkaidos unterwegs.
Auch hier werden langsam, aber sicher die Altfahrzeuge durch neue barrierefreie Niederflurfahrzeuge ersetzt. Die dreiteiligen A1200 Serie, auch unter dem Namen "Polaris" bekannt, verjüngt somit die Fahrzeugflotte des Straßenbahnbetriebes um einige Jahre.
Am Folgetag wollte ich mir auch die "große" Eisenbahn anschauen. So begab ich mich eine Station neben Sapporo, an die Station Naebo (Google-Maps). Hier befindet sich auch die Hauptwerkstatt für Fahrzeuge im Großraum Sapporo. Eine Diesellok ohne Nummer rangierte auf dem Gelände einige untersuchte Fahrzeuge hin und her.
Einige wichtige Verbindungen verkehren über diesen Bahnhof. Auch wenn nicht alle Züge an dieser Station halten, sind auch durchfahrende Züge interessant, sodass ich circa zwei Stunden am Bahnsteig stand und die unterschiedlichen Fahrzeuge beobachtete. Die hier verkehrenden Fahrzeuge sind im Vergleich zu anderen Regionen Japans anders ausgestattet: Aufgrund des stärkeren Schneefalls auf dieser Nordinsel sind die Fahrzeuge robuster gegen Schnee und Eis gebaut. So sind die Fahrzeugfronten deutlich schneeabweisender gebaut, im Innenraum besitzen die Fahrzeuge Schnellheizungen an den Türen. Da auch eine höhere Kollisionsrate mit Rehe und Bären besteht, sind die Frontpartien stärker ausgeformt und die Führerstände höher gebaut.
Ein Blick auf die Generationsunterschiede, wo es noch keine Crash-Norm gab. Baureihe 721 (rechts) stammt aus 1988 und hat entsprechend keine verstärkte Front, auch wenn die Kältedämmung schon damals besser war als in anderen Regionen Japans.
Auf diesem Bild sieht man aber auch ganz gut, dass zwischen Naebo und Sapporo doch so viele Schienen und Weichen benötigt werden. Auch wenn ich von einer Hauptachse gesprochen habe, sind es eisenbahnrechtlich gesehen zwei Hauptstrecken, die parallel verlaufen.
Zurück in Sapporo Bahnhof, wartete ich auf die Einfahrt des Expresszuges "Suzuran" (übersetzt: Maiglöckchen). Mit etwas Glück trifft man hier noch ein Unikat an, welche die letzte Garnitur der Baureihe 785 ist. An diesem Tag war dieser sogar auch im Einsatz, sodass ich dann doch noch eine Gelegenheit hatte, die Baureihe bildlich zu dokumentieren bevor sie gänzlich verschwinden.
Auf der vergeblichen Jagd nach dem 243 am Vortag versuchte ich mein weitere Glück am zweiten Tag. Der Wagen 243 wurde durch Crowd-Founding in die ursprüngliche Lackierung versetzt, bevor sie gegen März 2024 aus dem Verkehr ausscheidet. Erfreulicherweise zeigen die Monitore am Bahnsteig die Echtzeitpositionen der Züge an. Allerdings nur ob es sich um ein Niederflur- oder Hochflurfahrzeug handelt. Kurz auf die schlaue IT geschaut, entdeckte ich eine "Werkfahrt". Also schnell mit dem nächsten Zug einige Stationen weiter, um schon einmal bereit zu stehen - für eine Werkfahrt, wo nicht mal bekannt ist was kommt. In der Ferne zwei Lichter, silberner Streifen glänzend nähernd. Bingo, zum Glück lag meine Vermutung richtig. So konnte ich die als eine Charterfahrt entpuppte 243 aufnehmen, auch wenn vielleicht nicht an der optimalsten Stelle. Lieber so als gar nicht.
Genug fotografiert, traf ich mich wie am Vortag mit meinen beiden Freunden und beendete den langen Tag.
Kurz vor der Abreise nach Hakodate, ein letztes Mal Straßenbahn Sapporo. Auch wieder, ohne zu wissen ob die 243 im Dienst ist, wollte ich mich wieder an der Kreuzung Odori (google-Maps) hinstellen und beobachten. Kaum aus der U-Bahn an die Erdoberfläche hochgekrochen, was kommt da? Die 243. Schnell über die Kreuzung gesprintet (wohlbemerkt mit Koffer), Kamera raus und Aufnahme. Da just in dem Moment die Wolken hochziehen mussten, war das Ergebnis entsprechend nicht befriedigend. Somit verweilte ich also bis die 243 wieder ihre Runde auf dem Außenring gedreht hat. Zwischendurch die anderen Fahrzeuge abgelichtet, unter anderem auch den "Sirius", Baureihe 1100.
Nach knapp einer Stunde hat 243 ihre große Runde durch Sapporo gedreht und kam wieder an der Kreuzung an. Diesmal klappte es auch besser, auch wenn die Fahrdrähte ihre Schatten warfen. Für mich dennoch ausreichend, zumal es vermutlich die letzte Gelegenheit für mich war, diesen Wagen zu sichten.
Sehr zu Frieden geht es schnell zurück zum Sapporo Bahnhof, denn die Abfahrt meines Zuges war schon bald. Die Reise geht mit der vierstündigen Fahrt nach Hakodate weiter.