Utsunomiya, auch bekannt unter "Stadt der Blitze". Japans neuste Straßenbahnlinie, die Haga-Utsunomiya-LRT, wurde August 2023 eröffnet - circa 70 Jahre sind es her, seitdem überhaupt ein neues Straßenbahnnetz entstanden ist. Die Linie führt vom Bahnhof Utsunomiya in die östliche Richtung ins Industriegebiet und ersetzt mehrere Buslinien, wenngleich auch einige neue Gebiete angeschlossen werden. Passend zum Städtebild sind die Fahrzeuge in einem blitz-ähnlichem Design gestaltet worden - im markanten gelb. Ein Bericht vom 27. und 28. September 2023.

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Direkt am Bahnhof Utsunomiya (Google-Maps) beginnt die neue Straßenbahnlinie. Mit einem Zukunftsblick auf eine Erweiterung in die westliche Richtung der Stadt wurde die Streckenführung bereits vorsorglich ausgebaut. Auch der Bahnhofsvorplatz wurde in dem Zuge ausgebaut und erstrahlt im neuen Glanz. Die frühherbstliche Atmosphäre in dieser Gegend hat mich dann aber doch eingeladen, einige Abendaufnahmen zu tätigen, bevor wir auch eine "Probefahrt" unternahmen.

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Betrachten wir uns nun die Fahrzeuge auch von Innen. Mit 2,65m Breite sind die Straßenbahnfahrzeuge genau so breit wie die Frankfurter U-Bahn. Die Sitzabstände sind auch nicht zu eng, diverse Einrichtungen zur Barrierefreiheit sind vorhanden. An der Konstruktion selbst fällt einzig negativ auf, dass die Sitzgruppen nicht zu den Fensterreihungen passen.

Positiv auffallend, dass für IC-Karten Inhaber der Ein- und Ausstieg an allen vier Türen möglich ist. An der Türsäule sind bereits die Lesegeräte montiert, zum Einsteigen wird an das grüne, zum Aussteigen an das gelbe Lesegerät gehalten. Die Lesegeräte befinden sich auf beiden Seiten der jeweiligen Türen, sodass sich hier niemand die Arme ausrenken muss - sofern die Geräte auch funktionieren. Mein Kumpel verblieb am Folgetag noch hier und berichtete mir einen defekten Lesegerät.

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Anders sieht es aus für Nutzer ohne IC-Karte. Diese müssen an der Einstiegshaltestelle eine Wertemarke ziehen, mit der eingestiegen werden kann. Beim Aussteigen muss die Person bis ganz nach vorne zum Fahrer laufen und das passende Geld, welche auf dem Display dargestellt wird, zusammen mit der Wertemarke abgeben.
Das ist genau das Problem, was die Verzögerungen im Betriebsablauf verursacht: Da die IC-Karten bisher noch nicht eingeführt worden war, dauert natürlich das Bargeld-Zahlen, weswegen die Straßenbahn im Rush-Hour sehr viel Verzögerung mit sich verschleppt.

Die schmalen Displays im Fahrzeuginnenraum zeigen auch die nächsten Stationen in Japanisch und Englisch an. Weswegen die Schriftart nicht einheitlich ist und nur die Stationsnamen eine andere ist, bleibt für mich ein Rätsel.

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In einem abgelegenen Einkaufszentrum war seit mehreren Jahren ein Stand als Informationszentrum zum Baufortschritt vorhanden. Dieser hatte an unserem Besuchstag den vorletzten Öffnungstag, sodass wir die Gelegenheit nutzten, im letzten Moment mit dem Fachpersonal zu sprechen. Hier konnte ich nicht nur Informationen über die neue Straßenbahn selbst, sondern darüberhinaus auch diverse Verkehrsplanungen und -analysen entlang der Strecke.

Gut ausgestattet waren sie mit diversen Informationsbroschüren zur Straßenbahn selbst. Klar, in einer Stadt welche zuvor noch keine Straßenbahn besaß, kennen die Einwohner nicht wirklich wie man die Straßenbahn nutzt. Auch manche Straßenverkehrsregeln sind neu hinzugekommen, was auch für die Autofahrer Neuland sein dürfte. Nachdem ich verraten habe, dass ich aus Deutschland komme und hier in dieser Branche arbeite, schenkten sie mir auch heimlich paar Give-Aways.

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Ein Blick auf die Ausstattungen an den Haltestellen. Die Haltestellen sind, dadurch dass an Kreuzungen eine ganze Fahrspur verwendet wird, verhältnismäßig sehr breit. Jede Station ist gut überdacht und hat Sitzbänke und Informationstafeln. Wie in Japan mittlerweile üblich, besitzt jede Station eine Stationsnummer. Auch die englische Auskunft fehlt nicht und wird vollumfänglich beauskunftet.

Ein Blick auf die aktuelle Linienführung. Die schematische Karte zeigt den aktuellen Standort mit einem roten Kreis. Nicht zu verwechseln sind die Zahlen im Kreis selbst, welche nicht die Fahrtdauer darstellt, sondern wie erwähnt die Stationsnummern. Grundsätzlich zu bemängeln gilt, dass die Stationsnamen, gerade im östlichen Abschnitt, eindeutig zu lang sind. Dies erschwert nicht nur die Suche, sondern auch das Lesen.

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Kurzer Blick auf das Fahrgastinformationssystem. Hier eindeutig zu erkennen, dass die Haltestellennamen zu lang sind, weswegen diese in Laufschrift angezeigt wird. In die Gegenrichtung ist die Haltestelle noch länger, sodass die englische Laufschrift bereits auf japanisch umspringt, obwohl der vollständige Name nicht angezeigt wurde.
Sehr mangelhaft waren die Verspätungsauskünfte. Zum Zeitpunkt des Fotos war es bereits 19:10. Auch wenn der Zug als Pfeil angezeigt wird, bleibt die Soll-Abfahrtszeit stehen und es folgen keine Verspätungsauskünfte - weder auf der Anzeige, noch akustisch. Auch die Darstellung der Stationsnummer dürfte auf dem ersten Blick für viele ein Fragezeichen aufwerfen - eine nichts-sagende ① abweichend vom Design auf der Karte ist nun doch - selbst für mich - nicht einfach zu verstehen.

Ein Blick auf die LED-Matrix-Anzeige am Fahrzeug. Durch die langen Stationsnamen ist nicht nur das Englische, sondern selbst das Japanische enorm eingeengt und klein. Dass die Englische Anzeige kaum leserlich ist, davon brauchen wir wohl nicht zu sprechen.
Zukünftig soll es hier mehrere Gattungen geben: Local, der alle Stationen befährt und Express, welcher einige Stationen auslässt.

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Zurück in Utsunomiya Bahnhof, begaben wir uns an die nächstgelegene Kreuzung. Die Beobachtungen zeigten, dass sich nicht nur die Fußgänger, sondern auch die Autofahrer erst dran gewöhnen müssen, dass die gelben Blitze mit ihnen unterwegs sind. Zum Glück blieb es bei unserem Besuch bei einer Beinahekollision, aber auch in Japan hat die Straßenbahn Vorfahrt vor dem Autoverkehr.

Am Folgetag, am 28. September war kurz vor meiner Abfahrt in den Norden noch ein wichtiger To-Do offen: Die Beobachtung des Rush-Hours.
An dem frühen Morgen stellten wir uns am Bahnhof hin, um die Beobachtungen durchzuführen. Direkt Beim Start fällt uns auf, dass die Züge verspätet in den Bahnhof reinfahren.

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Die Wendezeit an diesem Endpunkt ist recht stabil gehalten, sodass auch kleinere Verspätungen abgefangen werden können.
Im Gegensatz zu meiner Erwartung ist die Lastrichtung nicht zum Bahnhof rein, sondern vom Bahnhof raus. Im Nachgang verständlich, wenn der Industriepark am anderen Ende dieser Linie ist und an diversen Zwischenhalten Uni-Campen und Oberschulen sind. Auffällig war aber auch, dass der Einstieg in die Bahn recht zeitaufwändig scheint. Eine pünktlich eingefahrene Bahn fuhr durch die Verzögerung leicht verspätet ab.

Auch meine Abfahrt näherte sich, sodass ich die Beobachtungen abschloss und noch die letzten Bilder schoss.
Meine ersten Eindrücke von der Linie sind doch recht positiv, auch wenn es noch an vielen Punkten Anpassungsbedarf bestehen mag. Schließlich war es zu diesem Zeitpunkt nur ein Monat her, seitdem die Linie eröffnet worden war. Auch positiv zu erwähnen, dass die Straßenbahn scheinbar sehr gut angenommen wird, sonst gäbe es die vollen Züge ja nicht. Man darf also auch auf die weiteren Entwicklungen gespannt sein.

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Weg von den gelben Zügen, auf in den Norden. Für mich geht die Reise weiter auf die Insel Hokkaido, welche ich mit dieser Fahrt zum ersten Mal betrat. Den Bericht hierzu gibt es im nächsten Teil.